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Willkommen bei der Evangelischen Kirchengemeinde Drabenderhöhe.

Fr, 29.Mär 2024, 10:00 Uhr bis 11:00 Uhr (Ev. Kirche Drabenderhöhehe)Gottesdienst
Karfreitag mit Abendmahl

Von Hilmar Kranenberg im Bereich Allgemein.

Liebe Gemeinde,

der für den 3. Sonntag nach Ostern vorgeschlagene Predigttext ist die Erzählung von der
Mission des Paulus in Athen. Sie findet sich im 17. Kapitel der Apostelgeschichte:

Paulus trat in die Mitte des Areopags und sagte: »Ihr Männer von Athen! Ich sehe, dass es euch mit der Religion sehr ernst ist. Ich bin durch eure Stadt gegangen und habe mir eure heiligen Stätten angesehen. Dabei habe ich auch einen Altar entdeckt mit der Inschrift: ›Für einen unbekannten Gott‹. Was ihr da verehrt, ohne es zu kennen, das mache ich euch bekannt. Es ist der Gott, der die Welt geschaffen hat und alles, was darin lebt. Als Herr über Himmel und Erde wohnt er nicht in Tempeln, die ihm die Menschen gebaut haben. Er ist auch nicht darauf angewiesen, von den Menschen versorgt zu werden; denn er selbst gibt ihnen das Leben und alles, was sie zum Leben brauchen. Er hat aus einem einzigen Menschen die ganze Menschheit hervorgehen lassen, damit sie die Erde bewohnt. Für jedes Volk hat er im Voraus bestimmt, wie lange es bestehen und in welchen Grenzen es leben soll.

Und er hat gewollt, dass die Menschen ihn suchen, damit sie ihn vielleicht ertasten und finden könnten. Denn er ist ja jedem von uns ganz nahe. Durch ihn leben wir doch, regen wir uns, sind wir! Oder wie es einige eurer Dichter ausgedrückt haben: ›Wir sind sogar von seiner Art.‹ Wenn wir Menschen aber von Gottes Art sind, dann dürfen wir nicht meinen, die Gottheit gleiche den Bildern aus Gold, Silber und Stein, die von Menschen mit ihrer Erfindungskraft und Kunstfertigkeit geschaffen wurden!

Nun, Gott ist bereit, mit Nachsicht über das hinwegzusehen, was ihr bisher aus reiner Unwissenheit getan habt. Jetzt aber fordert er alle Menschen überall auf, umzudenken und einen neuen Anfang zu machen. Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er über die ganze Menschheit ein gerechtes Gericht halten will, und zwar durch den Mann, den er dazu bestimmt hat. Ihn hat er vor aller Welt dadurch ausgewiesen, dass er ihn vom Tod auferweckt hat.«

Als sie Paulus von der Auferstehung reden hörten, lachten ihn einige aus; andere sagten: »Darüber musst du uns ein andermal mehr erzählen.« Als Paulus darauf die Versammlung verließ, schlossen sich ihm ein paar Männer an und kamen zum Glauben, darunter Dionysius, der dem Areopag angehörte, außerdem eine Frau namens Damaris. (Apg 17, 22-34)

Zur Zeit des Paulus war Athen nicht mehr das das ruhmreiche Zentrum des antiken Griechenlands. Athen war zu einer Provinzstadt geworden, voll mit den jahrhundertealten Tempeln und Altären, wo man den Ruhm der Vergangenheit erahnen konnte, also eine Art bewohntes Museum. Dazu gehört auch der Areopag, auf dem die Geschichte spielt. Das ist ein alter Versammlungs- und Diskussionsort. Und dort spricht Paulus zu den Athenern.

Doch wie soll Paulus seine Predigt über Gott und Jesus Christus beginnen? Inmitten der vielen alten Tempel findet er einen Altar für den unbekannten Gott. Damit beginnt er. Dieser Gott ist den Athenern zwar bisher unbekannt, doch es ist der einzige Gott, sagt Paulus. Ganz anders als die vielen Gottheiten, die in Athen seit Hunderten von Jahren verehrt werden. Dieser Gott braucht keine Tempel, keine Opfer. Und doch – so sagt Paulus – ist er gar nicht so weit entfernt von dem, was die Athener schon seit langem kennen und verehren. Ein überwältigendes Echo bekommt Paulus dafür nicht. Philosophie ist nicht gerade sein Spezialgebiet und ein großartiger Redner war er sowieso nicht, wie er an anderer Stelle selbst zugibt. Vermutlich sind viele der Athener nur aus reiner Langeweile gekommen, um Paulus zu hören. Endlich mal ein neues Gesicht, eine andere Geschichte in ihrem Provinzstädtchen. Und das mit der Auferstehung der Toten findet ein Teil von ihnen eher komisch. Einige wenige nur lassen sich überzeugen und begründen eine kleine Gemeinde in Athen.

Nun fragen Sie sich jetzt vielleicht, was wir mit dieser Geschichte anfangen sollen. Wenn ich mir die religiöse Landschaft heutzutage ansehe, dann komme ich mir vor wie Paulus in Athen, der an jeder Ecke auf einen neuen Tempel stößt. Überall finden sich religiöse Angebote. Nicht nur das Christentum in seinen unterschiedlichen Varianten ist dabei. Das gibt es selbstverständlich auch. Aber daneben gibt es noch eine unüberschaubare Vielzahl von anderem: Indische Riten, indianischer Schamanismus, buddhistische Wiedergeburtslehren, germanische Kriegsgötter, keltische Druiden, Astrologie, Kartenlesen, mittelalterliche Hexen genauso wie Ufo-Kulte. Das ist so eine Art Supermarkt des religiösen Angebots, aus dem sich viele ein scheinbar passendes Menü zusammenstellen. Ein bisschen Christentum, dazu noch etwas fernöstliche Meditation, ein wenig Esoterik, eine Prise Exotik und fertig ist die Privatreligion.

Anderes fällt dabei oft hintenüber: Was ist denn mit der Sorge um den Nächsten, mit dem, was wir Diakonie nennen? Wie ist das mit dem Leben inmitten der Welt: Ist es weiterführend, wenn ich mich aus allem zurückziehe, nur noch im kleinen Kreis der Gleichgesinnten verkehre? Schrecke ich nicht andere ab, wenn ich sie als Menschen zweiten Grades ansehe, nur weil sie meinen Glauben nicht teilen? Ist es meine Aufgabe, im Namen Gottes andere Menschen zu verurteilen, nur weil sie anscheinend den falschen Glauben haben? So etwas sollte man doch Gott überlassen. Was wäre denn, wenn ich falsch liege und Gott das alles ganz anders sieht, vielleicht auch viel toleranter ist als ich meine?

Glaube ist wichtig und prägt unser Leben oft weit mehr, als wir zugeben wollen. Das gilt für alle, auch für die selbsterklärten Atheisten. Denn auch der Atheismus ist eine Religion.

Ohne Religion, ohne Gott können wir Menschen nicht sein – auch wenn man immer wieder versucht, den Göttern andere Namen zu geben. Auch dass Menschen andere Menschen als geradezu göttlich anbeteten oder eine politische Richtung zur Religion erhoben und entsprechend verehrten kam und kommt immer wieder vor. Manchmal ist es auch ein Sportstar oder eine Musikerin, die geradezu göttlich verehrt wird.

Aber all das hilft nur begrenzt für unsere Suche nach Sinn und nach dem Letzten, dem Ewigen. Wenn es bei mir um Leben und Tod geht, wenn ich ganz persönlich Trost und Kraft brauche funktionieren weder Fußballvereine noch Filmstars und auch Kaiser, Könige oder Diktatoren sind als Kraftquelle unbrauchbar. Dann hilft nur das Vertrauen, dass Gott mir zur Seite steht, mich nicht fallen lässt und die Liebe, welche Gott uns geschenkt hat.

Doch zurück zu Paulus und seinem Versuch, den Dialog zwischen den Religionen zu wagen. Das ist der erste christliche Versuch dieser Art überhaupt. Und es war zu einer Zeit, als das Christentum noch eine ganz kleine Minderheit war. Paulus nimmt die Menschen ernst. Das gehörte ja sowieso zu seinen Stärken. Er interessierte sich für die Sorgen und Nöte der Menschen, auch für ihre Wünsche und Hoffnungen. Mit dieser persönlichen Ansprache hatte er den meisten Erfolg. Als öffentlicher Redner hatte er es weit schwerer. Und wenn seine Zuhörer ihn von Anfang an nicht ernst nehmen wollten, war es noch ärgerlicher. Doch er hat den Mut, es zu versuchen.Zwar war sein Erfolg nicht überwältigend, doch immerhin hat er wenigstens ein paar seiner Zuhörerinnen und Zuhörer überzeugt.

Der unbekannte Gott, den Paulus inmitten all der vielen Tempel und Altäre entdeckt, ist nicht nur ein Lückenbüßer, falls die Fachbereiche der anderen Götter nicht genügen. Bekanntlich verehrten Griechen und Römer für die verschiedensten Bereiche des Lebens jeweils unterschiedliche Götter. Das ist bei dem Gott, den Paulus hier verkündet, anders. Er ist uns auch nicht unbekannt. Sein Fachbereich – um es mal so zu nennen – ist die ganze Welt und das ganze Leben, auch über den Tod hinaus. Und was noch ein großer Unterschied zu den Göttern der Römer und Griechen ist: Dieser Gott interessiert sich für uns Menschen, für jede und jeden einzelnen von uns. Uns alle kennt er mit Namen, kennt unsere Lebensgeschichte, unsere Nöte und Ängste, unsere Glücksmomente und Träume. Die antiken Götter, so wird in den alten Sagen erzählt, brauchen die Menschen nur, um sich ihre Langeweile zu vertreiben. Sie sind ihre Spielzeuge, nichts weiter. Und wenn so ein Spielzeug nicht mehr gefällt, wird es achtlos liegengelassen.

Bei unserem Gott ist das anders: Wir alle sind Gottes geliebte Kinder, wir werden begleitet in schönen und in schweren Zeiten. Wir können Gott sagen, was uns bedrückt und wir sollten uns bedanken, wenn es gut läuft. Und dann ist da noch Jesus Christus: Er kam, um uns all das zu sagen und zu zeigen. In und durch Jesus lernen wir Gott kennen. An seinem Beispiel sehen wir, wie wir mit Schuld und Vergebung umgehen sollen, können uns frei fühlen. Und durch seine Auferstehung bekommen wir die Gewissheit, dass auch unser Leben mit dem Tod nicht zu Ende ist. Das alles mag für manche der Zuhörer des Paulus in Athen ein Ärgernis oder eine Dummheit gewesen sein. Aber was sonst haben wir für eine Hoffnung, wo sonst finden wir die Wegweisung für unser Reden und Handeln? Wer sonst nimmt uns die Lasten ab, die uns das Herz schwer machen?

Wie bereits gesagt: In dieser Erzählung geht es um das Gespräch mit Menschen, die anderes glauben. Sicher stand bei Paulus der Wunsch nach Bekehrung, nach Mission im Vordergrund. Doch ihm war sicher auch klar, dass er das zunächst nur bei wenigen erreicht. An anderen Stellen berichtet er auch über seine häufigen Misserfolge. Nicht überall hatten seine Predigten Erfolg. Also geht er in Athen recht vorsichtig vor. Wie hätte Paulus denn auch dagestanden, wenn er mit einer großen Beschimpfung der ganzen Ungläubigen und Götzenanbeter begonnen hätte? Man hätte ihn vermutlich aus der Stadt geprügelt. Schon allein deshalb, weil seine Zuhörer sich nicht ernst genommen fühlen.

Wie aber können wir mit Andersgläubigen ins Gespräch kommen? Gerade inmitten der religiösen Beliebigkeit unserer Zeit ist das eine wichtige Frage. Ins Gespräch kommen mit denen, die anderes glauben, aber genauso mit denen, die auf der Suche sind. Da können wir von Paulus lernen. Zum Beispiel mein Gegenüber ernst zu nehmen, seinen Glauben nicht lächerlich machen oder verächtlich als minderwertig abtun.

Genauso wichtig ist aber auch Bescheid zu wissen und einen Standpunkt zu haben. Tolerant sein ist sicher wichtig. Aber man muss auch wissen, was man selbst glaubt, woran die anderen glauben und sehen, wo die Unterschiede sind. Der versöhnliche Spruch: „Letzten Endes glauben wir ja alle das gleiche“ hilft sicher im Gespräch mit anderen christlichen Konfessionen weiter, denn da sind die Unterschiede vergleichsweise winzig gegenüber dem, was wir gemeinsam haben. Aber im Gespräch mit Andersgläubigen geht das nicht so leicht. Da muss ich wissen, wo die Unterschiede sind und woran ich glaube. Man kann ja trotzdem in vielen Punkten erfolgreich zusammenarbeiten. Bei der Hilfe für Kranke, Hungernde oder Arme genauso wie beim Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit oder eine gesunde Umwelt. Was so etwas angeht, sind sich die meisten Weltreligionen ziemlich einig.

Und vor allem muss der eigene Glaube vorgelebt werden. Wir sind nur glaubwürdig, wenn wir so leben wie wir glauben. „Die Menschen sollen eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen“ sagt Jesus. Wenn ich ganz anders lebe als das, was ich sage dann bin ich unglaubwürdig. Dann brauche mich nicht zu wundern, wenn keiner kommt. Der uns gut bekannte unbekannte Gott soll nicht nur gefunden werden, sondern wir sollen ihm folgen. So, wie Jesus es uns zeigte. Glauben ist mehr als nur Reden, Glaube bedeutet in ihm zu Leben. Überzeugend bin ich, wenn ich aus meinem Glauben heraus lebe und dabei fröhlich bin. Fanatiker schrecken eher ab. Menschen, die so wirken als sei ihr Glaube mehr Last als Stütze, auch. Schon der Philosoph Friedrich Nietzsche wünschte sich von den Christen, dass sie erlöster aussehen sollten, wenn sie doch die Erlösung predigen. Und da ist immer noch viel Wahres dran.

Denn was uns wirklich trägt, worin wir uns wirklich geborgen fühlen, ist die Liebe: Die Liebe Gottes und die der Mitmenschen. Und diese Liebe weiterzugeben ist die beste Missionsmethode, die wir haben. Sie ist alt, aber bewährt und immer noch aktuell. Dann werden wir vermutlich gefragt nach dem Gott, der manchen unbekannt ist. Und wir sollten fähig sein, Antwort zu geben. Amen.

Schlagworte: predigt

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  • Zuletzt geändert: 21.11.2022 15:24
  • von Manuel Krischer